Beschluss: Resolution für eine weltoffene Region Hannover

  • Veröffentlicht am: 28. Februar 2023 - 11:34

fuer-eine-weltoffene-region-ha.jpg

Beschluss der Mitgliederversammlung vom Regionsverband Hannover für eine weltoffene Region Hannover

Durch Kriege, Naturkatastrophen und Verfolgung oder auch nur auf der Suche nach einer wirtschaftlichen Perspektive finden Menschen Zuflucht und ein neues Zuhause in Deutschland. Diese Entscheidung wird nicht leichtfertig getroffen; Menschen haben gute Gründe, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt in ein – für sie – bisher unbekanntes Land auf unbestimmte Zeit verlegen. Gleichzeitig verlangt der Neustart den immigrierten Personen einiges ab. Dies führt in der Ankunftsgesellschaft zu verschiedenen Herausforderungen, aber auch zu großen Chancen.

Deutschland hat eine historische Verantwortung, aber auch ein (ökonomisches) Interesse daran, Menschen für sich zu gewinnen. Allein der Arbeitskräftemangel ist nicht zu beheben ohne Menschen, die sich für ein Leben hier entscheiden. Hierfür müssen Perspektiven für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration geschaffen werden, damit dies auch erfolgreich gelingen kann. Die Geschichte der Migration räumt aber auch mit einem langlebigen Märchen auf:  Unser Wohlstand ist nicht ausschließlich das Ergebnis harter Arbeit von Autochthonen, sondern liegt in einem globalen System begründet, das viele Menschen ausbeutet und historisch schon lange ausgebeutet hat. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen, beispielsweise durch das jüngst vom Bundestag beschlossene Lieferkettengesetz.

Rassistisches Gedankengut ist immer noch tief in unserer Gesellschaft verankert. Dies zeigt sich unter anderem bei Wahlergebnissen der AfD, die bei der vergangenen Landtagswahl in Niedersachsen ein historisches Ergebnis erzielt hat und nun mit 18 Vertreter*innen im Landtag sitzt. Rassismus artikuliert sich aber nicht nur im Parlament, sondern auch in wiederholten, rassistisch motivierten Anschlägen und Gewalttaten. Nicht zuletzt führt die rassifizierende Ausdeutung gesellschaftlicher Problemlagen, wie die Vorkommnisse der vergangenen Silvesternacht, vor Augen, wie schnell migrantisch gelesene Menschen unter Generalverdacht gestellt werden, noch bevor Fakten auf dem Tisch liegen, die dem klar widersprechen. Nicht selten entlarvt sich die überhitzte öffentliche Diskussion im Nachhinein als Effekthascherei.

Wird Zuwanderung als Problem definiert, das mit einem Mix aus Aufenthaltszonen und Wertebekenntnissen kanalisiert werden soll, wird diese Verantwortung gerade nicht angenommen. Wir lehnen diese Lesart von Zuwanderung deshalb ausdrücklich ab.  Sie treibt einen Keil in unsere Gesellschaft, zu der Menschen mit Migrationserfahrung seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich gehören. Bündnis 90/Die Grünen unternimmt konsequente Anstrengungen, die Gesellschaft zusammenzuhalten und zusammenzuführen. Das schließt auch Einrichtungen wie Diversitätsräte auf Bundes- und Landesebene, Fachexpert*innen in der Bundesgeschäftsstelle sowie Angebote an die Partei zur rassismuskritischen Weiterbildung und zur Überwindung von Hürden zur politischen Beteiligung migrantisch gelesener Menschen ein. Der Regionsverband Hannover stellt sich gegen rechte und rechtskonservative Narrative und unterstützt den offiziellen Kurs der Bundes- und Landespartei in Bezug auf die Flüchtlings-, Migrations- und Integrationspolitik. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, diesen Weg fortzuführen und zu intensivieren, auch in der Region Hannover.

Eine klare Rechtslage ordnet derzeit Einwanderung und Asyl. Diese mag von verschiedenen Standpunkten aus kritisiert werden, doch sie existiert und wird angewandt. Deutschland hat ein klares Integrationskonzept. Die bestehenden Gesetze antworten schon auf unterschiedliche Migrationsgründe und berücksichtigen sowohl das Bleibeinteresse der zuwandernden Menschen wie das gesellschaftliche Interesse an Zuwanderung. Im Asylverfahren können Gründe wie Verfolgung, Bedrohung durch Krieg oder existentielle Notlagen geltend gemacht werden. Werden die Gründe anerkannt, erhält die Person eine Aufenthaltserlaubnis. Ihre Notlage steht zurecht im Mittelpunkt des Verfahrens, nicht ihre Sozialisation. Das Aufenthaltsrecht regelt demgegenüber die Zuwanderung wegen Arbeit, zu Bildungszwecken oder aus familiären Gründen. Ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlangt das Gesetz erst dann, wenn Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen möchten. Jedes dieser Verfahren kann kritisiert und kann auch verbessert werden, sowohl aus der Perspektive derjenigen, die nach Deutschland kommen (wollen), als auch aus der Perspektive der Menschen, die in Deutschland schon leben. Eine solche Verbesserung ist durch die Ampel-Regierung mit dem neuen Chancen-Aufenthaltsrecht auf Bundesebene eingeführt worden. Die zuvor im Gesetzestext verankerte Misstrauens- und Verdachtskultur gegenüber Neuhinzugekommenen wurde beendet.

Damit Integration gelingen kann, muss sie auch politisch gewollt sein. Darum braucht es eine nachhaltige und auskömmlich finanzierte Integrationspolitik, die den Zugang vor Ort ermöglicht. Die zahlreichen Freiwilligen und engagierten Beschäftigten in Verwaltung und Beratungsstellen, Vereinen, Religionsgemeinschaften und Betrieben sowie die Geflüchteten selbst leisten derzeit einen wertvollen Beitrag. Diese müssen unterstützt werden in ihrer wichtigen Arbeit, damit alle Menschen Anschluss finden und Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Sprachkursangeboten, schulischer Bildung und Arbeitsmarkt erhalten.

Allgemeinplätze wie „Die Flüchtlingspolitik ist gescheitert“ und die Sehnsucht nach einem starken Staat, der Migration mit restriktiven Gesetzen „steuern“ soll, weisen wir zurück. Was hier als „Steuerungsfähigkeit“ präsentiert wird, ist nichts anderes als die Forderung nach Abwehr, Aussortierung und verschärfter Abschiebepraxis. Die Herausforderungen sind groß und die Situation komplex. Der Wunsch nach einfachen Lösungen ist verständlich. Er hilft aber nicht, sondern ist im Gegenteil irreführend und gefährlich. Es braucht einen offenen Diskurs über Flucht und Migration. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Region Hannover werden wir diesen Diskurs praxisorientiert führen und uns gegen jede Form von einfachem Populismus stellen, der im rechten Lager fischt.

Die Region Hannover nimmt viele Geflüchtete bei sich auf und unternimmt große Anstrengungen, damit die Integration gelingen kann. Zweifelsohne ist es so, dass viele Kommunen an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Doch dies darf kein Grund für eine restriktivere Geflüchtetenpolitik sein, sondern muss zu einem lauteren Ruf nach mehr Unterstützung durch Bundesebene und Länder führen. Die Kommunen müssen nicht erst seit der Eskalation des Angriffskrieges Putins in der Ukraine immer mehr Aufgaben erledigen. Das Subsidiaritätsprinzip findet kaum noch ausreichend Beachtung, was sich katastrophal auf die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen auswirkt. Die Belastungen sind deshalb ungleich gestiegen. Dennoch leisten die Kommunen der Region Hannover hervorragende Arbeit bei der Bewältigung dieser Herausforderungen. Ganz alleine schaffen sie es jedoch nicht.

Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Regionsverband Hannover positionieren wir uns klar gegen eine restriktive Flüchtlingspolitik, die nicht geeignet ist, der komplexen Lage Herrin zu werden. Wir beteiligen uns weiterhin an Prozessen, die der Herausforderung gerecht werden und bieten Gegenantworten auf rassistisches Gedankengut. Die Region Hannover soll auch in Zukunft weltoffen und sich ihrer Verantwortung bewusst sein, Fürsorge für alle hier lebenden Menschen zu leisten. Dazu leisten wir unseren Beitrag.

Beschlossen auf der Mitgliederversammlung am Samstag, den 25.2.2023